Alle Beiträge von Jennifer Gliemann

Nostalgie und Bastelfreude

Im Glücks-Lädchen hat das kreative 9. Jahr begonnen

Die Eule mit dem Zwerg ist Britta Freists Liebling der Deko-Bastelkarten. Sachte dreht Britta Freist an der Kurbel. Der Angler springt auf und zum Vorschein kommt – ein Hai. Lachend kurbelt die Inhaberin des Glücks-Lädchen auf Langeoog weiter. Der Angler setzt sich, der Hai taucht ab. „Petri Heil“ heißt die Papiermaschine, die ihr Team aus einem Bastelbogen ausgeschnitten und zusammengeklebt hat, Kurbelmechanik inklusive, ebenfalls aus Papier.

Walter Ruffler aus Bremen ist der Entwerfer. „Der Tüftler ist Jahrgang 1949“, erzählt Britta Freist beeindruckt. In ihrem Geschäft hat sie weitere seiner Maschinen – etwa den Seemann in der stürmischen See und den Segler auf Segeltour.

Ebenfalls aus Papier sind Schmetterlinge und Drachen, die im hinteren Raum ihres Ladens von der Decke hängen. Außerdem Pippi Langstrumpf und eine Katze mit Mäuschen auf dem ­Rücken als Hampelmann; den auf einem Seil fahrenden Bären Strampolino und ein Piratenschiff. Die Figuren sind aus Bastelbögen und Bastelhefte ausgeschnitten. Britta Freist hat sich dafür ein Wochenende Zeit genommen, denn was es im Glücks-Lädchen gibt, hat sie fast alles selbst ausprobiert. Vor 20 Jahren habe sie schon einmal Papierfiguren gebaut. Die Bastelbögen und -hefte seien für Kinder ab sechs Jahren geeignet, sagt sie; die Papiermaschinen eher für Kinder ab dem zwölften Lebensjahr: „Wichtig ist, dass ich sauber ausschneide.“

Storchenscheren für Kreativprojekte
Auf die Papierfiguren ist sie auf der Spielwarenmesse in Nürnberg und der „Nordstil“ in Hamburg gestoßen. Ihr Laden besteht jetzt seit neun Jahren – Britta Freist sieht es als kreatives Jahr. Sie möchte alte Spielideen aufleben lassen und Kinder wieder kreativ basteln sehen. Denn das, so ihr Eindruck, sei immer weniger geworden. Ganz bewusst hat sie sich nach Produkten umgeschaut, die in Kindern und Erwachsenen die Freude am Basteln wecken. Der Umgang mit der Schere sei für viele Kinder schwierig, ist ihr Eindruck. „Es ist ein kleiner Beitrag“, sagt sie über ihr Angebot.„Petri Heil“ ist eine von vielen Papiermaschinen, die im Glücks-Lädchen angeboten werden.

Damit das Bastelerlebnis rundum Freude bereitet, hat sie Scheren der Scherenmanufaktur Paul in ihrem Sortiment – auch die vollgeschmiedeten Scheren in Form eines Storches mit vergoldeten Griffen. „Die schneiden richtig gut“, ist sie von den Produkten der Traditionsmanufaktur angetan, die es seit 1886 gibt. Einen Universalkleber hat Britta Freist ebenfalls mit Bedacht ausgewählt. Coccoina heißt der Kleber aus Italien. Die Basis ist Kartoffelstärke, er ist frei von Lösungsmitteln und daher ungiftig und wasserlöslich.

Mit Nostalgie beschreibt sie die kleinen Blechfiguren zum Aufziehen, an denen sie selbst ihren Spaß hat. Eine kleine Schildkröte nimmt sie aus dem Regal, dreht den unterm Bauch versteckten Schlüssel, setzt sie auf den Boden und lässt sie durch den Laden laufen. Genauso macht sie es mit einer Ente, die durch das Geschäft watschelt. „Kindheitserinnerungen“, sagt sie. Auch die „Plopper“, die von innen nach außen gestülpt werden und, auf den Boden fallend, fast zwei Meter hoch in die Luft springen, sind solch eine liebgewordene Erinnerung.

Seit neun Jahren auf Langeoog: das Glücks-Lädchen.Wenn Britta Freist durch ihren Laden führt, ist sie nicht mehr zu bremsen – überall gibt es etwas, das ihr Freude bereitet. Sie zeigt auf die Holzkarten, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung angefertigt werden. Die Karten sind sogleich auch ein kleines Geschenk, denn die Motive wie Möwe, Qualle oder Seehund sind kleine Bastelsets, lassen sich leicht zusammenbauen und dann aufhängen. „Mein Liebling ist die Eule mit dem Zwerg“, erzählt Britta Freist lachend und deutet über das Regal, wo sie ihre Lieblingsfigur und noch viele andere aufgehängt hat. Einen großen Schritt entfernt sind 3D-Papier­modelle; deren Bau fördert die Ausdauer, Konzentration und Geschicklichkeit. Sie bestehen aus vielen Einzelteilen, die sich zu einem Hummer oder Seepferdchen, einer Gänse- oder Pinguinfamilie zusammenstecken lassen.

Britta Freist hat einige Kunden, die sagen: „Das ist so ein gefährlicher Laden. Ganz, ganz schlimm“, erzählt die Inhaberin schmunzelnd. „Ich nehme das als Kompliment“, sagt sie, denn sie weiß ja, wie es gemeint ist. Und freut sich, dass die Kunden immer wiederkommen.

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Das Glücks-Lädchen
Seit 2016 betreibt Britta Freist ihren Laden auf der Insel. Für sie ein Glücksfall, der auch zum Namen ihres Geschäfts führte. Im Glücks-Lädchen gibt es Artikel von kleinen Familien- und Ein-Personen-Betrieben und Behindertenwerkstätten. Ihr Angebot reicht von ätherischen Ölen über Bastelsachen und Bausätze bis hin zu Kleidung aus Hanf, auf alten Strickmaschinen aus Irland genähte Schals und faire, teils handgefärbte Wolle. Sie kennt ihre Lieferanten oft seit 20 Jahren und probiert und nutzt viele Produkte selbst.

Kontakt & Öffnungszeiten
Das Glücks-Lädchen in der Kirchstraße 16 ist zurzeit wie folgt geöffnet:
Montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr
Samstags von 10 bis 13 Uhr

T: 0175 – 4969703 | E: info@gluecks-laedchen.de
W: www.gluecks-laedchen.de

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Klimalogbuch Langeoog – Juni 2024

Außentemperatur: 13°C
Betriebsklima: angenehm
Weitere Aussichten: nicht einfach, aber machbar

Liebe Langeoogerinnen, liebe Langeooger,

der erste Eintrag in dieses Klimalogbuch lautet: Der Klimadampfer Langeoog, oder sagen wir besser, der Klimaschoner Langeoog, hat abgelegt. Vielen Dank an alle, die das möglich gemacht haben. Ich freue mich, als euer neuer Klimamanager mit an Bord zu sein. Dabei sehe ich mich weder als euren Klimakapitän, noch als ersten Klimaoffizier und schon gar nicht als den Klimaalleinunterhalter im Bordcasino, sondern, um noch ein bisschen im Bild zu bleiben, als euren Klimalotsen, der euch sicher durch die Untiefen der Veränderungen, Möglichkeiten und Fördermittel zu neuen Ufern führen soll.

Einige werden sich auf unsere Reise freuen. Andere kommen vielleicht nur zögerlich oder gar unfreiwillig mit. Wer meint, dass vom Aufbruch ins Erneuerbare-Energien-Zeitalter nichts Gutes zu erwarten sei und uns allen nur Kummer, Leid und horrende Kosten drohen, dem möchte ich mit auf den Weg geben: Nur Mut! Mehrmals in ihrer Geschichte wurde die Insel Langeoog und alles, was darauf stand, von schlimmen Sturm¬fluten heimgesucht – und nach jeder Verwüstung wieder aufgebaut. Wenn das den Menschen damals möglich war, ohne Strom, ohne Gas, ohne Bagger, ohne Telefon, ohne Internet, nur mit ihrem Willen und ihrer Hände Arbeit, dann können wir die Aufgaben unserer Zeit ebenfalls bewältigen.

Dieses Klimalogbuch soll euch künftig regelmäßig über unseren Kurs und die erreichten Ziele informieren. Im Unterschied zur seemännischen Gepflogenheit ist es deshalb öffentlich. Wenn wir alle zusammenhalten und Hand in Hand arbeiten, werden wir am Ende unserer Reise, davon bin ich über¬zeugt, eine wunderbare Insel erreichen. Mitten im Wattenmeer. Mit toller Natur, vielfältiger Kultur und lauter glücklichen Bewohnern, die sich an sauberer Energie und wirtschaftlicher Unabhängigkeit erfreuen.

In diesem Sinne: Leinen los!
Thomas

„Gutmensch ist kein Problem für mich“

Uwe Garrels gründete vor einem Jahr eine Initiative zur nachhaltigen Lebensweise – die Treffen ruhen gerade, die Aktivitäten nicht

Setzt sich für eine nachhaltige Lebensweise ein: Uwe Garrels, der seit 40 Jahren als Wattführer arbeitet. „Nachhaltigkeit steckt in allem, wenn man so will“, sagt Uwe Garrels. Für den ehemaligen Langeooger Bürgermeister ist es eine „gesellschaftliche Grundaufgabe“, die ein jeder hat. „Schließlich leben wir nicht für uns allein, sondern haben Verantwortung für unsere Umgebung, die Gemeinschaft der Insulaner und Gäste ebenso wie für unsere fantastische Wattenlandschaft mit all den Pflanzen und Tieren, die für Leben in der Bude sorgen“, erklärt er.

Vergangenes Jahr hat er deshalb die Initiative „Aufbruch Langeoog 2023 – eine Wegesuche zu einer nachhaltigen Lebensweise“ ins Leben gerufen. Es ist eine kleine Gruppe. Zu siebt haben sie sich über die Themen Ernährung, Müll, Abfallvermeidung und Energie ausgetauscht. Jeder habe da seinen Schwerpunkt, sagt Uwe Garrels.

Anfangs haben sie sich alle drei Wochen in der Inselschule getroffen. Das Netzwerk besteht weiterhin, doch die regelmäßigen Treffen ruhen zurzeit. „Ich habe zu viel um die Ohren“, so der 69-Jährige. Seit 40 Jahren bietet er Wattführungen an, ist Ratsmitglied, ehrenamtlich bei der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffsbrüchiger (DGzRS) tätig. Seit einer Weile ist er gemeinsam mit anderen Langeoogern auch in der Wohnraum AG aktiv, die vergangenen Sommer entstanden ist. Wohnraum für Menschen, die auf Langeoog leben und arbeiten, zu schaffen und was damit alles zusammenhängt – darum geht es der AG. „Das ist auch ein großes Thema der Nachhaltigkeit auf Langeoog“, so Uwe Garrels.

Frösche und ein „anständiger Mietvertrag“
Von einem Erfolgserlebnis erzählt Uwe Garrels: Eine Langeoogerin konnte er davon überzeugen, ihre Wohnungen, die sie selbst nicht mehr an Feriengäste vermieten kann, an Dauermieter zu vergeben. Bei der Umwandlung sei einiges zu beachten gewesen, sagt Uwe Garrels. „Mietwohnungen haben andere Anforderungen als Ferienwohnungen, sie brauchen einen Abstellraum, einen Fahrradunterstellplatz, Telekommunikation ist ein Thema, die Nebenkostenerfassung muss gerecht erfolgen, die Grundstückspflege und das verträgliche Zusammenleben auf dem Grundstück müssen geregelt werden, eine mit Fachleuten abgestimmte Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Eigentümerin, da hat es neben einem anständigen Mietvertrag einiges im Vorfeld zu regeln gegeben“, fasst Uwe Garrels zusammen. Er sei der Dame sehr dankbar für ihren Mut, zumal es auch zu unerwarteten Herausforderungen gekommen sei. „Da ist es wichtig, als Ansprechpartner für beide Seiten zur Verfügung zu stehen“, betont er.

Eine der Wohnungen konnte von der neuen Lehrerin der Inselschule bezogen werden. Die Schulleiterin hatte für ihre Kollegin gesucht. „Ich verbinde die Leute gerne miteinander“, freut sich Uwe Garrels. Nicht „allein wurschteln“, sondern im Austausch sein, das sei wichtig und: „Dass der Lebensraum für Menschen gesichert ist, die hier wohnen und arbeiten.“ Auch er selbst und sein Sohn könnten sich vorstellen eine ihrer zwei Ferienwohnungen in ihrem Insulanerhaus als Dauermietwohnung anzubieten, wissend, dass es auch hier vorab einiges zu klären gibt.

Schneller haben sich andere Nachhaltigkeitsthemen umsetzen lassen: So mäht Uwe Garrels nur noch einmal im Jahr seinen Rasen kurz und freut sich an den unterschiedlichsten Pflanzen, die sich so bei ihm im Garten ausbreiten. Er düngt nicht mehr zusätzlich, hat dafür seinen Kompost und nutzt nur noch, was der Boden und Gartenabfälle selbst liefern. Seit letztem Jahr sind auch wieder Frösche im Garten, weil sie mehr Feuchtigkeit, Deckung und Nahrung finden.

An tausend Stellschrauben drehen
Wenn er für die Ferienwohnungen zum Beispiel neue Bade­tücher braucht, achtet er darauf, dass sie GOTS-zertifiziert sind [Anm. d. Red.: GOTS ist die Abkürzung für Global Organic Textile Standard; das Gütesiegel steht für die Verarbeitung von Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern]. „Sie sind in der ­Investition dann zwar teurer, doch die Kosten der Umwelt­belastung sind entsprechend geringer. Vorrangig gilt aber zunächst, die vorhandene Wäsche möglichst lange zu nutzen, um möglichst wenige Rohstoffe zu verbrauchen. Meine Abfallmengen haben sich drastisch verringert, seitdem ich daran feile, wie es auch anders geht“, hat er festgestellt.

„Mancher findet das spinnert oder hält das für Gutmenschentum. Aber: Gutmensch ist kein Problem für mich“, lautet seine Meinung. Man müsse nun einmal an tausend Stellschrauben drehen, dürfe es nicht sein lassen, ist seine Überzeugung. „Das tun inzwischen viele Menschen auf der Insel täglich auf ihre Weise und an ihrer Stelle. Das Thema Nachhaltigkeit ist so groß und es ist inzwischen in jeder Angelegenheit zu beachten. Das ist eine gute Entwicklung und bei all den negativen Nachrichten zur Klimakrise darf man nicht vergessen, dass es auch in der Krise gute Tage gibt und keinen Grund, den Weltuntergang herbeizureden“, ist Uwe Garrels überzeugt.

Schließlich gebe es Kinder, die eine Zukunft haben und mit Zuversicht leben müssten. Er erzählt von einer seiner letzten Wattführungen: Eine Mutter sei am Ende der Führung zu ihm gekommen. Ihr Kind habe gesagt, „er schüttet einem ja sein ganzes Herz aus.“ Das habe ihn berührt. „Das, was ich tue, will ich mit ganzem Herzen machen, dazu kann ich Schwarzsehen nicht gebrauchen.“

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Wer Interesse hat sich in die Initiative einzubringen, kann sich telefonisch (Mobilnummer: 0151 42173189) an Uwe Garrels wenden.

„Ich bin eine Lottokugel“

Vom Inselpastor zum Superintendenten: Pastor Neumann verlässt Langeoog

Spaß und Fröhlichkeit gehören für Inselpastor Christian Neumann zum Gottesdienst dazu. Am 2. Juli wird er um 15 Uhr seinen Abschiedsgottesdienst in der Inselkirche halten. © Marion Voß Dass er als Pastor einmal ein Rennen von Plastikenten moderieren würde, hätte Christian Neumann nicht gedacht. Bei der Veranstaltung, die von den vier Langeooger Serviceclubs für den guten Zweck organisiert wird, schwimmen 1.500 Badeentchen um die Wette. Der Inselpastor war von Anfang an als Moderator dabei. Diesen Sommer wird es die Benefizveranstaltung zum sechsten Mal geben. Dann allerdings ohne ihn. An dem Tag werde der Regionalbischof verabschiedet, da könne er nicht kommen, sagt er. Und dann ist es so, dass er nach fast neun Jahren auf der Insel, am 2. Juli seinen letzten Arbeitstag hat: Um 15 Uhr wird er seinen Abschiedsgottesdienst halten. Denn Christian Neumann wird neuer Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Norden. Am 20. August wird er offiziell in sein neues Amt eingeführt.
„Ich bin jetzt eine Lottokugel“, sagte er kürzlich zu seiner Frau. „Ich bin einer von 49 Superintendenten der Landeskirche.“ In seiner neuen Position werde er Vorgesetzter für 24 Pastoren sein, durch den Kirchenkreis touren und selbst eine Viertel-Pfarrstelle in der Ludgeri-Kirchengemeinde in Norden haben. Er sei dann in einigen Straßenzügen für Taufen, Trauungen und Beerdigungen zuständig. „Ich bin ja immer gerne Gemeindepastor gewesen“, betont er. Im nächsten Jahr wird der 49-Jährige sein 20. Jubiläum haben.

Vom Oberharz auf die Insel
Bevor er Inselpastor auf Langeoog wurde, war Christian Neumann zehn Jahre lang Gemeindepastor im Oberharz. „Ich hatte das Gefühl, alles gemacht zu haben, was man machen kann“, sagt er. Er hielt nach einer neuen Stelle Ausschau „mit dem gewissen Etwas“. Eines Tages sagte seine Frau, „Langeoog ist ausgeschrieben.“
Nach dem Kennenlerngespräch auf der Insel bewarb er sich. „Das Bauchgefühl war klar. Den Schritt haben wir nie bereut und wussten immer, dass es die richtige Entscheidung war.“ Zehn Tage vor dem Umzug auf die Insel, wurde ihr zweites Kind geboren; inzwischen sind sie zu fünft.

Arbeit als Inselpastor
Was es heißt, auf einer Insel zu leben, könne man sich im Vorfeld nicht vorstellen, sagt er. Anfangs habe er die Sekretariatsarbeit übernommen, weil es niemanden dafür gab. Er habe selbst Klavier in den Gottesdiensten gespielt, als die Kantorenstelle unbesetzt war. Und auch das Loch für Urnen-Beisetzungen habe er selbst schon ausgegraben.
Die Arbeit als Inselpastor sei ein Spagat zwischen kleiner insularer Gemeinde und einer sehr großen Anzahl Urlauber. Der stetige Wechsel der Sonntagsgemeinde, nicht zu wissen, wen er bei der Predigt vor sich habe, sei nicht ganz einfach. Auch sei der Gottesdienst nach dem Segen nicht vorbei, darauf müsse man gefasst sein. „Völlig unbekannte Menschen geben dir eine Rückmeldung“, schildert er – und es habe sehr viele gegeben. Worüber er sich freut: „Ich konnte ausprobieren, was ich wollte und es hat immer funktioniert.“ Oft sagten ihm die Menschen, dass die Gottesdienste so ein Kirchentagsgefühl geben würden, etwas Leichtes, Beschwingtes. „So ist das immer“, war dann seine Antwort. Er selbst ist aus den Gottesdiensten jedes Mal bereichert rausgegangen.

Insulare Hilfsbereitschaft
Am wenigsten erahnt habe er, dass Insulaner so ansprechbar sind für Mitarbeit: „Sie sind unglaublich hilfsbereit, egal welchen Alters. Darunter auch viele, die keine Gemeindemitglieder sind. Das war eine der größten Überraschungen, dass die Inselgemeinde so funktioniert“, sagt er.
Die Vertrauensbibliothek im Beiboot laufe, ohne dass er was machen müsse. Das Team des Eine-Welt-Ladens habe eine große Streukraft und unterstütze mit den Erlösen die Technikerschule CET in Burkina Faso. Mit Kantorin Olga Persits und Küster Dominique Seifert sei es ein „tolles Zusammenarbeiten.“ Die Menschen werde er vermissen.

„Anständig Abschied nehmen“
Über die letzten Arbeitswochen auf der Insel sagt er: „Du musst dich ja überflüssig machen. Was durch meine Hände geht – von der Vermietung der Räume im Beiboot, also technische Dinge, bis hin zu Beisetzungen und Seelsorge, all das muss geregelt werden.“ Bis eine Nachfolge gefunden werde, übernehme Heinz Behrends die Vakanz.
Was Christian Neumann wichtig ist, ist „anständig Abschied nehmen. Den Menschen, den ich dankbar bin, meinen Dank zeigen. Der Schritt von der Insel zu gehen, ist genauso groß wie auf die Insel.“ Langeoog sei für ihn und seine Familie eine prägende Zeit gewesen. „Ich hoffe, dass ich den Abschied so schaffe, wie im Harz.“ Damals sei es sehr fröhlich zugegangen.

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„Es braucht die Menschen“

Initiative zur nachhaltigen Lebensweise auf Langeoog trifft sich alle drei Wochen

Die Wiese mäht Uwe Garrels seltener als früher, sticht die Kanten auch nicht mehr ab. Das Laub lässt er auf den Beeten liegen. Und die Terrassen hat er verkleinert, um mehr Platz für Pflanzen zu schaffen. Im Garten gibt es schon lange einen Komposter, der nun auch für seine Feriengäste da ist. Vor etwa einem Jahr hat der ehemalige Bürgermeister Langeoogs, der seit Jahrzehnten als Wattführer arbeitet, begonnen, für mehr Nachhaltigkeit in seinem Leben zu sorgen.
Nachhaltige Lebensweise: Uwe Garrels nutzt die Forke nicht nur, um als Wattführer seinen Gästen einen Wattwurm zu zeigen, sondern auch, um seinen Kompost für den eigenen Humus umzugraben. „Wir leben in einem endlichen System“, sagt er. Ohnmacht entstünde durch all die Nachrichten zur Klimaveränderung. Doch der Satz: „Ich kann ja sowieso nichts tun“, ist Quatsch, davon ist er überzeugt. „Wir haben ein globales Problem, das man nur vor Ort lösen kann. Die Politik muss sich dieses Problems annehmen, aber jeder einzelne muss es auch angehen. Es braucht die Menschen. Ich muss mich auf den Weg machen. Veränderung gehört zum Leben. Wenn man das akzeptiert, verliert man auch die Angst. Es hat sich immer alles geändert. Gut ist, wenn man Ansprechpartner hat, in Kommunikation gehen kann“, sagt er, „um Rat, Ermutigung und Hilfe zu bekommen.“
Das sei für ihn auch der Grund gewesen, Ende März zu einem ersten Treffen im Haus der Insel einzuladen. Die Initiative hat er „Aufbruch Langeoog 2023 – eine Wegesuche zu einer nachhaltigen Lebensweise“ genannt.
Zu siebt tauschten sie sich über die Themen Ernährung, Müll, Abfallvermeidung und Energie aus. „Nachhaltigkeit funktioniert als Gemeinschaftsprojekt“, ist sich Uwe Garrels sicher. ­Eineinhalb Stunden hätten sie bei diesem ersten Treffen zusammengesessen. Jeder habe erzählt, warum er gekommen sei, welches Thema ihn beschäftige. Geplant sei, sich alle drei Wochen zu treffen, auszutauschen und zu schauen, wer was umsetzen könne. „Die Leute sollen merken, was wichtig für sie ist und sich dann auf den Weg machen. Es hat keinen Sinn, Menschen zu überreden. Ich möchte lieber etwas mit Leuten zusammen machen, die freiwillig dabei sind“, unterstreicht Uwe Garrels.
Treffpunkt seit Mitte April ist die Inselschule. Beim vergangenen Treffen wurde sich als erstes Schwerpunktthema auf die Ernährung konzentriert. „Bei der Ernährung ist auch die Entsorgung, die CO2-Bilanz, die Verpackung ein großes Thema. Daher werden wir uns damit nun auseinandersetzen, das war uns allen wichtig“, erklärt Uwe Garrels. Er selbst hat seit einer Weile seine Ernährung umgestellt hat: Viel Obst und Gemüse, regionale Produkte kauft er ein; Kräuter baut er im Garten an. „Ich bin froh, die Umstellung gemacht zu haben. Ich habe kaum noch Verpackungsmüll, da ich meist alles unverpackt kaufe. Ansonsten kann ich alles kompostieren. Fleisch esse ich kaum noch, dafür viel Rohkost und halbrohes Gemüse – das bekommt mir total gut“, sagt er.
Eine nachhaltige Lebensweise bedeutet für ihn auch, dass er weniger konsumiert: „Klamotten brauche ich für den Rest meines Lebens kaum noch zu kaufen“, sagt der 68-Jährige. Außerdem wolle er im Garten mit seinen Nachbarn die Durchgänge zu den Grundstücken öffnen, weil es so „kommunikativ“ einfacher sei, sich zu treffen. Gleichzeitig freut er sich über die Tiere, die nun in seinem naturnahen Garten auftauchen – drei Frösche sind ihm kürzlich begegnet.
Seine individuelle nachhaltige Lebensweise ist für ihn „Lebensfreude“. Es mache ihm Spaß. Für ihn sei es eine Bereicherung und er gehe optimistisch an die Dinge heran. Die Begeisterung weiterzutragen sei ihm wichtig, um Verbindungen, Lerneffekte zu schaffen, wie er sagt. „Ob die anderen es haben wollen, ist die andere Frage.“

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Inselbewohner, die Interesse haben, sich in die Initiative einzubringen, können sich an Uwe Garrels (Telefon: 0151 42173189) wenden oder zum nächsten Treffen am 5. Mai 2023 um 19.30 Uhr in die Inselschule kommen.

Als Frau in der katholischen Kirche

Susanne Wübker leitet seit 2016 die katholische Kirchengemeinde St. Nikolaus

Jeden Morgen um 8 Uhr schließt Susanne Wübker die Kirchentür auf, die nur wenige Schritte vom Pfarrhaus entfernt ist. Sie ist Pastoralreferentin, Seelsorgerin und Leiterin der katholischen Kirchengemeinde St. Nikolaus auf Langeoog. Die Kirche wurde nach dem Entwurf der Architektin Lucy Hillebrand Anfang der 1960er-Jahre gebaut. 2016 kam Susanne Wübker auf die Insel. Nachdem der letzte Pastor 1992 ging, kümmerte sich der Kirchenvorstand um alle Belange der Gemeinde. Kurpastoren gab es davor schon vereinzelt, aber erst seit 1992 kommen sie regelmäßig in die St.-Nikolaus-Kirche.

Puzzlespiel für nahtlose Übergänge
Kurpastoren seien etwas Inseltypisches, sagt Susanne Wübker. Sie selbst finde es sehr charmant. Als sie damals anfing, habe sie alle Priester, die sie kenne, angeschrieben. Sie sei zwar recht experimentierfreudig, aber Experimente brauche sie in diesem Bereich ihrer Arbeit nicht. „Ich habe gute Erfahrungen gemacht“, sagt sie über die Zusammenarbeit, die zwischen zwei und vier Wochen dauern kann. Wer als Kurpastor nach Langeoog kommt, sagt verbindlich zu, für die Sakramente zur Verfügung zu stehen. Das sei für die Pastoren durchaus reizvoll. Nicht nur die Lage der Kirche – in den Dünen und unweit vom Meer – sei ein Anreiz.

„Ich glaube, Kurpastoren schätzen es, eine relativ gut besuchte Kirche vorzufinden, und dass jeden Abend Gottesdienste gefeiert werden“, meint die Pastoralreferentin. Ansonsten bleibe es jedem Kurpastor selbst überlassen, wie er seinen Aufenthalt gestalte: „Einer führt auch am Strand Gespräche, ein anderer geht eher in Selbstexerzitien und wieder ein anderer feiert ­lediglich die Gottesdienste.“

Für sie selbst sei die Organisation der Kurpastorenzeiten ein Puzzlespiel, um nahtlose Übergänge hinzubekommen. Das ist aber nur ein kleiner Teil ihres Aufgabengebiets. „Es gibt keinen Tag in der Woche, an dem ich mich morgens an den Schreibtisch setzte und dann dort den ganzen Tag bleibe“, berichtet Susanne Wübker.

Es kann sein, dass eine Frau aus der Mutter-Kind-Kur ein Gespräch sucht – oder auch jemand von der Insel. Wenn etwas besonders erfreulich sei, besonders schmerzlich oder wenn es darum gehe, etwas mit auszuhalten – dafür sei sie da, erzählt die Seelsorgerin. Denn „was ich wirklich tun möchte, ist Seelsorge.“ Mit der Seelsorge verbinde sie, Trauernde, Firmlinge, Kommunionkinder und die Sternsinger zu betreuen. Die Liturgie zu feiern. Hausbesuche zu machen. Exerzitien-Tage zu begleiten.

„Es geht um mehr Leben, nicht um Leistung“
An solchen Tagen gebe sie Impulse: „Hier auf Langeoog ergibt sich vieles durch das Meer. Es geht um mehr Leben, nicht um Leistung oder darum, etwas vorweisen zu müssen. In die Stille finden, sich selbst annehmen können. Um Lebensthemen in Einzel- oder Gruppengesprächen“, beschreibt sie ihre Aufgabe. Und es gehe darum zu helfen, dass jemand auf die eigene Spur komme oder auf ihr bleibe. Ums Zuhören und darum, an den entscheidenden Punkten Fragen zu stellen. „Es ist total schön.“

Die katholische Kirche St. Nikolaus wurde Anfang der 1960er-Jahre von der ­Architektin Lucy Hillebrand entworfen.Susanne Wübkers Tag endet nicht mit dem Abschließen der Kirche gegen 20 Uhr. Oft finden Vorträge und Veranstaltungen erst am Abend statt, zum Beispiel Kirchenvorstandssitzungen, die Ökumenische Vortragsreihe und die „8 nach 8 – Musikandacht“.

„Ich liebe die katholische Kirche“, sagt sie. Aber auch: „Eine biblische Begründung, warum Frauen keine Priesterinnen sein können, gibt es nicht.“ In der Zusammenarbeit mit Priestern habe sie gleichwohl gute Erfahrungen gemacht. Die Eucharistie-Feier sei ihr wichtig. „Wenn das Angebot da ist, wird es auch nachgefragt“, ist ihre Erfahrung. Sie selbst könne Vesper-Gottesdienste halten.

Für die Sakramentenspendung in der Kirche braucht es Priester. Wobei die Zeiten sich ändern: Ein Taufkurs des Bistums ­Osnabrück steht an. Nicht nur Kleriker, sondern auch Taufbeauftragte dürfen dann Taufen vornehmen. Auf Langeoog gebe es nicht so viele Taufen, sagt die Pastoralreferentin. Sie ist dafür, dass die Zulassung zum Priesteramt auch für Frauen ­geöffnet wird. Womöglich sei die Taufbeauftragung ein erster Schritt in diese Richtung.

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„Wie wäre es mit einer Insel in der Nordsee?“

Olga Persits ist die neue Kantorin der Inselkirche

Ende Januar 2023 war der Umzug nach Langeoog. Zwei volle Anhänger mit Möbeln und Hausrat kamen auf die Insel. Dann Am 1. Februar schon der erste Arbeitstag als Kantorin der ­Inselkirche. Sehr sportlich sei es gewesen, sagt Olga Persits. Ihr zweijähriger Sohn Leonidas kam in die Kindertagesstätte „Wichtelnüst“. Nach zwei Wochen Eingewöhnung sogleich zwei Wochen Ferien. Christian, ihr Ehemann, wohnt aus beruflichen Gründen noch in Winsen an der Aller.

Bisher war die Gemeinde bei Celle auch Olga Persits’ Wohnort, von dem sie zur Arbeit ins 90 Kilometer entfernte Hittfeld pendelte. Die Familie suchte nach einem Ort, an dem sie alles ­zusammenbringen konnte. Als die Musikerin sah, dass die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde auf Langeoog eine Kirchenmusikerin suchte, fragte sie ihren Mann: „Wie wäre es mit einer Insel in der Nordsee?“

Olga Persits ist Kantorin der Inselkirche LangeoogSie bewarb sich, kam einen Tag vor dem Bewerbungstermin auf die Insel, die sie zuvor noch nicht kannte. Am nächsten Tag spielte sie auf der Orgel vor, sang mit der Gemeinde, probte mit dem Gospelchor und führte Vorstellungsgespräche. Am Abend ging es wieder zurück aufs Festland. Ein Bewerbungstag von morgens bis abends gehöre zum Beruf, sagt Olga Persits. „Es war nicht das erste Mal für mich. Der Tag ist immer vollgepackt und anstrengend. Aber auf Langeoog war es sehr angenehm“, erinnert sie sich. Das war Mitte September. Ende des Monats verbrachte sie mit ihrer Familie ein Wochenende auf Langeoog. Als Kirchenmusikerin arbeitete sie damals noch in Hittfeld – der Grund, warum sie nicht früher anfangen konnte. „Zur Weihnachtszeit kann man nicht aufhören“, sagt sie.

Olga Persits ist gebürtig aus Moskau. Mit fünf Jahren lernte sie Klavierspielen. Mit zwölf Orgelspielen. Beide Instrumente studierte sie in Moskau am Tschaikowski-Konservatorium. Mit 22 Jahren kam sie nach Deutschland und studierte Kirchenmusik und Konzertorgel an der Musikhochschule in Lübeck und an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Für ein Austauschsemester ging sie nach Groningen.

Als Kirchenmusikerin arbeitete sie zuvor bereits für die ev.-luth. Kirchengemeinde Eutin und die ev.-luth. Luthergemeinde Kiel. Ihr gefalle, dass die Tätigkeit des Kirchenmusikers so vielfältig sei. Gottesdienste gestalten, die Arbeit mit dem Chor, die Organisation von Konzerten – all das mache ihr Freude: „Mein Ziel ist, dass die Kirchenmusik auf hohem Niveau läuft. Ich möchte neue Impulse geben, frische Luft reinbringen und jedes Mal etwas anderes spielen. Bei den Gottesdiensten, Auftritten des Gospelchors und bei den Konzerten sollen sich Einheimische und Gäste wohlfühlen und von der Musik mitgenommen werden“, so Olga Persits.

In ihrer Freizeit spielt Musik keine Rolle. „Um Gottes Willen“, sagt sie lachend. „Das ist die Zeit mit der Familie. Wenn man mal frei hat, wird eine Radtour gemacht, ein Spaziergang und bei gutem Wetter an den Strand gegangen.“ Am Inselleben gefällt ihr die Natur, die frische Luft. Nur an den Wind, an den müsse sie sich noch gewöhnen.
-jeg-